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18.09.2018

Diskussion "Hartz IV überwinden"

Müller: "Hartz IV-Sanktionen für Jugendliche und junge Erwachsene werden bald abgeschafft"

hartziv diskussion muellerBerlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) geht von einer baldigen Abschaffung der Sanktionen für Jugendliche und junge Erwachsene bei Hartz IV aus. "Das kommt noch in dieser Legislaturperiode", sagte Müller bei einer Diskussion über eine neue soziale Agenda mit der Sprecherin der Nationalen Armutskonferenz, Barbara Eschen, am Montagabend in der vollbesetzten Reformationskirche in Berlin-Moabit. "Davon gehe ich aus, wenn die CDU sich nicht querstellt."

Der SPD-Politiker bezeichnete das als ersten Schritt, dem bei der notwendigen Reform der Hartz IV-Gesetzgebung weitere folgen müssten. "Wir brauchen die Verabredung zu einer neuen Arbeitsmarktpolitik. Was wir jetzt haben, wird der Zukunft nicht gerecht", sagte Müller. Gebraucht würden im Rahmen eines sogenannten solidarischen Grundeinkommens gute öffentliche Jobs, in die Menschen, die im ersten Jahr Arbeitslosigkeit auf dem ersten Arbeitsmarkt keinen Fuß fassen konnten, vermittelt werden und von denen sie auskömmlich und in Würde leben können. "Das ist ein solidarisches Angebot", so Müller.

Durch die Digitalisierung stehe die Gesellschaft vor Umbrüchen auf dem Arbeitsmarkt, für die Lösungen gefunden werden müssten, die auch noch in zehn, 15 Jahren tragen, sagte der SPD-Politiker weiter. Für die Hartz IV-Gesetzgebung habe es in großen Teilen der Gesellschaft nie eine Akzeptanz gegeben. "Hartz IV ist auch mit daran Schuld, dass es heute dieses Grundmisstrauen von Teilen der Bevölkerung gegenüber dem Staat gibt", so Müller: "Deshalb müssen wir neue Wege gehen." Ein solidarisches Grundeinkommen sei dazu ein erster Baustein.

Die Abschaffung jeglicher Sanktionen, lehnt der Regierende Bürgermeister allerdings ab. Es gebe auch Komplettverweigerer und mit denen müsste irgendwie umgegangen werden, sagte er. Er stellte sich damit unausgesprochen gegen einen Beschluss des Landesparteitags der Berliner SPD von Anfang Juni. Darin heißt es: "Der Grundsatz des Förderns muss in den Vordergrund gerückt werden, Sanktionen sind vollständig abzuschaffen und durch positive Anreize für Leistungsberechtigte zu ersetzen, zum Beispiel Zugang zu zusätzlichen Qualifizierungsmaßnahmen.“

Diakonie: Hartz IV muss grundsätzlich sanktionsfrei sein

Die Berliner Diakoniedirektorin Barbara Eschen forderte dagegen weitergehende Schritte. Transferleistungen müssten grundsätzlich sanktionsfrei sein, also nicht an Bedingungen geknüpft werden, sagte Eschen. Zudem müsse es für alle Kinder und Jugendliche eine vorbehaltlose Grundsicherung geben. "Die Kinder müssen aus diesem System herausgenommen werden", sagte Eschen, die turnusmäßig noch bis Ende des Jahres auch Sprecherin der Nationalen Armutskonferenz ist. Hartz IV deprimiere viele der betroffenen Menschen und mache sie zum Teil kaputt.

Eschen kritisierte zudem, dass von dem von Müller vorgeschlagenen Modell die jetzigen Hartz IV-Bezieher nicht profitieren würden. "Wir müssen aber auf die schauen, die jetzt arbeitslos sind und deren materielle Ausstattung verbessern", betonte sie.

Zu der Diskussion hatte der Arbeitskreis Arbeit-Teilhabe-Gerechtigkeit der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz eingeladen. Ihm gehört auch das Berliner Arbeitslosenzentrum (BALZ) an.

Quelle: epd | Foto: foto©gezett

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